Die Rekonstruktion des MERZbaus basiert auf der stereometrischen Auswertung
von drei Weitwinkelaufnahmen aus dem Jahre 1932.
Die Achsen der drei Aufnahmen stehen in Winkeln von etwa 80-100° zueinander;
gewisse Teile der Aufnahmen sind auf je zwei der Aufnahmen abgebildet, eine
(einzige) Ecke auf allen drei. Damit war die Voraussetzung für ein räumliche
Rekonstruktion eigentlich gegeben.
Die praktischen Schwierigkeiten waren verschiedener Art: die Optik und die Standpunkte
des verwendeten Fotoapparates war unbekannt, ebenso die Raumgrösse. Der
Raum ist übrigens auf den Fotos nur an zwei Stellen schwach erkennbar,
da der Merzbau ja bis weit in den Raum hinein wucherte. Nach verschiedenen irreführenden
Fehlinformationen (so etwa ein Hausbogen mit Grundriss, datierend aus den Kriegsjahren
zwecks Zwangseinquartierung für Notfälle) wurde ein Wohnungsgrundriss
gefunden, welche der Sohn, Ernst Schwitters, als handschriftliche Skizze seines
Grossvaters identifiziert. Als der Grossvater den Raum ausmass, war dieser ja
noch leer; damit waren seine Grundmasse endlich bekannt.
Die Optik der Aufnahmen (Objektverschiebung, kippen der Bild- und Objektivplatten
etc.) erwies sich als ausserordentlich komplex; die Hauptschwierigkeit aber
war, die Brennweite des Objektivs herauszufinden. -
Zum Ziel führte die stereometrische Erfassung eines bestimmten Objektes,
welches auf zwei der drei Aufnahmen abgebildet ist, nämlich der "Hobelbank"
(alle Teile des MERZbaus sind bezeichnet, z.T. von Schwitters, z.T. von mir).
Zudem "sehen sich die Kameras gegenseitig, das heisst, ihre Standpunkte
sind als Bildpunkte auf den zwei Aufnahmen mittels Analogieschlüssen bestimmbar.
Diese beiden Fakten suggerierten folgendes Aktionsaxiom: Wenn die Fluchtlinien
der Kanten des Hobelbanks als geometrische Projektionen aus den Bildpunkten
unter Berücksichtigung aller Manipulationen (Auszug (Schärfe), Anheben
des Apparates, Kippen der Platten etc.) aufgezeichnet werden, so stehen sie
bei richtiger Brennweite senkrecht aufeinander (Alles klar? ...)
Erst nach diesen denkerischen Schritten, und nur hier, nahm ich für die
Berechnung auf iterärem Weg (d.h. der unendlichen Annäherung an einen
gesuchten Wert), einen programmierbaren Taschenrechner (HP 41) zu Hilfe, um
die zeichnerische Lösung rechnerisch zu bestätigen und somit noch
genauer zu machen.
Der gefundene Wert ergab eine Brennweite von 14,08 cm. Eine unglaubhafte Grösse!
Aber Nachforschungen an der ETH Zürich, in alten Katalogen des fotografischen
Instituts, belegten der Existenz eins Zeiss-Objektivs "Protar", ab
1892 im Gebrauch und beliebt bei Berufsfotografen, mit einer Brennweite von
14,1 cm.
Heureka ! !
Nun noch die "Feineinstellung": Nach monatelangem Schieben, Kippen,
Heben, Rechnen wurde die Annäherung an die Aufnahmepunkte der Originalaufnahmen
so genau, dass jeder einzelne Bildpunkt der Fotos zurückprojizierbar, messbar
und, da überbestimmt, überprüfbar wurde. ...
Peter Bissegger, 1988